Sonntag, 29. Oktober 2006

Was ist ein Leben wert?

Wenn man sich etwas ganz, ganz, ganz fest über Jahre hinweg, mehr oder weniger intensiv wünscht, dann muss es doch irgendwann einmal in Erfüllung gehen, oder? Besonders wenn es sich sowieso um etwas Unvermeidbares handelt und es nur eine Frage der Zeit ist, bis es eintritt. Aber kann man den Zeitpunkt nicht irgendwie vorziehen, vielleicht mit jemand anderen tauschen? Naja, tauschen ist wohl eher nicht möglich. Aber warum eigentlich nicht? Warum kann man, besonders wenn mann sowieso selbst nichts wert ist und nicht mehr mag, nicht einfach mit jemandem Tauschen, der die Zeit viel besser und schöner nutzen könnte? Es ist schade, dass das nicht möglich ist, finde ich. So muss jeder mit seiner Zeit selbst zurechtkommen, die er hat. Aber was ist, wenn er sie gar nicht richtig zu gebrauchen weiß und auch gar nicht möchte? Wenn alles eine einzige lange Qual ist? Muss man wirklich so lange bleiben, bis es von selbst endet? Ist es nur erlaubt indirekt nachzuhelfen, die Zeit schneller enden zu lassen oder darf man auch direkt eingreifen? Oder ist es gar schon zu viel, trotz besseren Wissens Dinge zu tun, die die unter Umständen die Zeit schneller enden lassen könnten? Und wer verbietet es überhaupt? Vielleicht verbietet es ja gar niemand. Recht überlegt kann ich mich nicht erinnern jemals eine solche Vorschrift gelesen und abgesegnet zu haben. Am Ende ist es wahrscheinlich doch nur ein von Menschen erdachtes Verbot. Wahrscheinlich ist es sowieso egal was man macht und man kann machen, was man will. Aber was ist, wenn doch alles irgendwie Konsequenzen hat? Am besten wäre es wohl, wenn man so leben könnte, wie es einem gefällt und niemand traurig und deprimiert sein müsste. Es wäre wohl alles viel schöner, wenn Menschenleben so geachtet werden würden, wie es weithin propagiert wird. Aber so ist es leider nicht. Ganz im Gegenteil, so wie es ist, finde ich es eher ein bisschen komisch, fast heuchlerisch, wenn dauernd gesagt wird, dass jedes Leben wertvoll ist. Ich habe das Gefühl, dass das nur eine leere Floskel ist, bestimmt irgendwann einmal von jemandem voller Ernst erdacht und theoretisch auch richtig, da ein Leben so gesehen ja wirklich unersetzbar ist, aber in Wirklichkeit gilt das höchstens für einen selbst und nahe Angehörige, während es für den Rest der Welt wohl noch am ehesten eine statistische Größe darstellt. Ganz abgesehen davon, dass in Kriegen massenweise solch unendlich wertvolle Menschenleben geopfert werden. Einfach so. Das alleine ist doch schon ein Widerspruch in sich. Wenn ein Leben wirklich so kostbar wäre, könnte ein vom Volk gewählter Vertreter doch niemals Menschen in Kriege schicken und anschließend vielleicht sogar wiedergewählt werden. Da stimmt doch etwas mit den Wertevorstellungen ganz und gar nicht. Aber das ist bestimmt etwas ganz Anderes, weil es dabei um die Verteidigung des eigenen Landes oder was auch immer geht und so den Tod anscheinend zu etwas Heroischem, Ehrenvollen macht, so ehrenvoll, dass sogar unschätzbar kostbare Menschenleben damit aufgewogen werden können, wobei man an die zivilen Opfer gar nicht denken darf, die dann wohl als Kollateralschaden bezeichnet werden und so auch einer guten Sache dienen durften. Ich finde das alles so scheinheilig, in Wirklichkeit zählt so ein Menschenleben gar nichts.wenn es vielleicht nicht gerade eine Berühmtheit betrifft, was dann natürlich besonders tragisch ist. Ich möchte damit nicht sagen, dass man jedem Menschen, sei er einem auch noch so fremd, nachtrauern muss, ich finde es nur irritierend, wie mit Menschenleben im Allgemeinen umgegangen wird. Es ist mir zutiefst unverständlich, wie man Menschen so behandeln kann, teilweise müssen doch alle für dumm gehalten werden, das schlimmste daran ist, dass es den Anschein hat, dass es wirklich so ist. Vielleicht möchte man das auch gar nicht sehen, vielleicht kann man es gar nicht fassen. Manchmal habe ich das Gefühl, dass all diese Floskeln nur dazu da sind, die Menschen zu beschwichtigen, damit keiner auf die Idee kommt, dass wir in einer total brutalen Gesellschaft leben, in der nur selten jemand auf den anderen wirklich Acht gibt.
Aber wenn man mal von solchen Massenmorden absieht. Wie wird der Wert eines Menschen überhaupt definiert? Einen großen Teil macht bestimmt der Beruf aus und was man da an besonderen Begabungen vorweisen kann, Wissenschafter werden an ihren Forschungsergebnissen gemessen, Verkäufer an ihren Verkaufszahlen, Fließbandarbeiter an der produzierten Stückzahl, Sportler an ihren Leistungen und so weiter. Aber was ist, wenn man in seinem Beruf nicht besonders erfolgreich ist, ist man dann nicht automatisch ziemlich wertlos für die Gesellschaft im Allgemeinen? Ständig steht man unter Leistungsdruck und muss immer irgendetwas erreichen, darf nichts falsch machen und muss oft in ständiger Angst leben. Auch für ein Unternehmen dürfte daher ein Menschenleben wohl von besonderem Wert sein, wenn sie Arbeiter und Angestellte massenhaft entlassen, damit der Gewinn um wenige Prozent gesteigert werden kann, wenn überhaupt. Wenn man dann plötzlich ohne Arbeit dasteht, macht es dann auch kaum einen Unterschied, ob begründet oder nicht und man wird automatisch als asozial bezeichnet. Es kann nicht in Ordnung sein, dass Menschen auf andere Menschen einfach losgehen, zumal die genauen Hintergründe im Dunklen liegen. Wie kann man Menschen nur so sehr abwerten, wenn doch jedes Menschenleben so wichtig ist? Ich kann das überhaupt nicht nachvollziehen. Auf der einen Seite ist sich die Gesellschaft anscheinend darüber einig, dass jedes Menschenleben von unschätzbarem Wert ist und auf der anderen Seite ist doch jeder nur so viel wert, wie er auch leistet. Ähnlich ist es wohl auch im Privatleben. Menschen, die sich öffnen können, auf andere zugehen können, frech sind und so weiter werden von anderen Menschen viel wertvoller empfunden, als Menschen, die verschlossen und still sind, auch wenn sie sonst nett sind. Kaum jemand findet es der Mühe wert, sich für solche Menschen Zeit zu nehmen. Aber dafür gibt es ja auch Therapeuten, die das für Geld machen, dafür aber professionell. Wahrscheinlich geht es nicht anders, schließlich ist man ja krank und dafür gibt es eben Ärzte, damit man wieder gesund wird. Damit man so wird, wie es sein soll. Oder vielleicht doch für sich selbst, damit man an die anderen angepasst ist, um glücklich sein zu können.
Aber vielleicht muss man sich gar nicht anpassen, vielleicht muss man nur stärker sein, sofern das nicht schon Anpassen ist. Aber wenn jeder Mensch wichtig ist und angeblich in seiner Individualität gefördert werden sollte, warum muss man sich dann überhaupt ändern, um akzeptiert werden zu können? Es ist wohl so, dass man sich nicht alles gefallen lassen und nicht alles gleich an sich heranlassen darf. Man muss wohl darauf Acht geben, sich immer selbst genug wert zu sein, damit man nicht untergeht und jeden Lebenswillen verliert. Es ist wohl wichtig egoistisch zu sein, auch wenn man es nicht gut findet. Ich mag das alles gar nicht und werde wohl weiter wünschen müssen.

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