Samstag, 9. Februar 2008

Ausgezeichnet

Noch nie hat es mich so sehr in die Welt hinausgezogen wie jetzt. Noch nie war ich kontaktfreudiger als derzeit. Noch nie war ich offener und zugänglicher für neue Leute und Erfahrungen als heute. Ich hätte mir nie vorstellen können, dass das möglich ist, aber mir geht es besser als ich je zu träumen gewagt hätte. Das alles vielleicht nur aufgrund von ein paar Stunden Therapie. Ich meine, ich bin sicher noch lange nicht geheilt und um wirklich ein normaler, wertvoller und integrierter Mensch zu werden, fehlt mir schon noch einiges, so dass ich noch einen langen Weg vor mir habe, aber ich habe für meine Begriffe auch schon sehr viel geschafft, viel mehr, als ich jemals für möglich gehalten hätte. Ich fühle mich viel, viel wohler als früher und wenn ich traurig bin, ist es nicht mehr ganz so schlimm. Überhaupt bin ich gar nicht mehr so oft traurig, nur noch manchmal. Meine Einsamkeitsgefühle sind nicht mehr so stark ausgeprägt und ich lerne neue Menschen kennen. Ich ziehe mich nicht mehr so sehr zurück wie früher, so dass ich nur daheim bin und die ganze Zeit alleine verbringe, ganz im Gegenteil, in den letzten sieben Tagen, bin ich fünf mal rausgegangen und habe mich mit einigen Menschen getroffen. Zugegebenermaßen zähle bei dieser Statistik auch die Therapiestunde und die Selbsthilfegruppe mit, aber besonders von der letzten Therapiestunde habe ich den Eindruck mitgenommen, dass sie mir sehr geholfen hat und mich offener für die Welt gemacht hat und mich noch ein wenig mehr in die richtige Richtung gestoßen hat. Therapiestunden können zwar sehr grausam sein, doch bringen sie einen dafür auch sehr viel weiter. Aber auch in der Selbsthilfegruppe schaffe ich es ganz langsam immer mehr, mich ein ganz klein wenig zu öffnen, es dauert zwar und ist beschwerlich, weil ich mir mit Gruppen generell noch schwerer tue, als mit einzelnen Personen, aber es wird langsam. Ich lerne sogar den einen oder anderen Menschen von dort näher kennen, etwas was ich ohne Hilfsmittel wie Internet oder zumindest einem gemeinsam durchgemachten Ausbildungsweg vorher überhaupt noch nie so geschafft habe. Es ist ganz interessant, Menschen zur Abwechslung auf dem direkten Weg kennen zulernen.
Auch mein Selbstwertgefühl wächst langsam ein wenig an. Ich mache meinen Wert zwar noch immer oft sehr von anderen Menschen abhängig, aber ich versuche davon wegzukommen und auf mich selbst zu hören, auch wenn es mir bei vielen Dingen noch äußerst schwer fällt und ich trotzdem noch oft positive Unterstützung und Anerkennung anderer brauche, damit es mir gut geht oder ich getröstet werden kann. Vor allem wegen der Uni habe ich da derzeit Zweifel, weil ich irgendwie das Gefühl habe, dass ich seit Ferienbeginn nichts mehr richtig geschafft habe. Ich hoffe, dass es okay ist, wenn ich die erste Ferienwoche fast ausschließlich zum Ausruhen und Sammeln verwendet habe und nur wenig gelernt habe. Dumm ist nur, dass ich dabei immer ein schlechtes Gewissen habe und nicht weiß, wie ich das abschalten kann.

Wie bereits erwähnt war ich vergangene Woche, aber nicht nur bei meiner Therapeutin und in der Selbsthilfegruppe, sondern war unter anderem auch einmal mit mehreren Bekannten/Unbekannten im Kino, einmal habe ich mich zum Lernen mit jemanden getroffen und einmal habe ich einen neuen Menschen kennen gelernt, mit dem ich mich zum Spazieren gehen verabredet habe. So viele soziale Erlebnisse hatte ich wahrscheinlich noch nie innerhalb von einer Woche. Ich habe in dieser Woche so viel gemacht, dass es mir fast schon wieder zu viel wurde. Irgendwie bin ich ganz froh, dass ich den heutigen Tag für mich reserviert habe und nirgendwo hin gehe. Sonst wäre der Fortschritt vielleicht auch schon etwas zu enorm. ;-)
Vor einigen Wochen habe ich mich auch mit einer sehr, sehr netten jungen hübschen Dame im Kino verabredet. Das war überhaupt einer der allerbesten Abende, den ich jemals hatte. Irgendwie hat alles so perfekt zusammengespielt und das obwohl der Abend nicht einmal richtig geplant war. Wir haben uns sogar auf gut Glück irgendeinen Film aus dem Programm ausgesucht, den wir nicht einmal kannten und er hat sich als absolut perfekt herausgestellt. Ich denke, dass ich noch nie gegenüber einer Person, die ich nie zuvor persönlich getroffen habe, offener war oder mehr geredet habe, als mit ihr und das auch noch relativ ungezwungen, wie mir schien. Leider meldet sie sich nur äußerst selten bei mir, aber ich hoffe sehr, dass wir bald wieder etwas gemeinsam unternehmen werden.

Es ist schwer zu beurteilen, welchen Anteil meine Therapeutin an den vielen Veränderungen hat, die ich in letzter Zeit durchmache, aber ich denke, dass es wohl schon ein sehr, sehr großer ist. Teilweise könnte es auch generell an verschiedenen Erneuerungen liegen, wie die Uni oder dass ich von einzelnen Menschen, die mir viel bedeutet haben, verlassen wurde. Manchmal ist es vielleicht doch gut verlassen zu werden, da es positive Veränderungen mit sich bringt, auch wenn es mich noch immer sehr schmerzt. Aber vielleicht ist es gerade der Schmerz in Verbindung mit neu aufgezeigten Möglichkeiten, der mich so sehr vorantreibt. Ich bezweifle nicht, dass es auch wieder mal bergab gehen wird, das gehört wohl einfach dazu, aber vielleicht ist ja gerade das wichtig, um neuen Schwung und Motivation zu bekommen und so am Ende wieder weiter hinauf zu kommen. Es ist wohl wahr, dass es einem manchmal so schlecht gehen muss, dass man einfach gar nicht anders kann, als etwas zu verändern. Ich hoffe nur, dass das ganze, trotz der in letzter Zeit sehr rasanten Veränderungen nicht wieder total einfriert und ich wieder völlig in meinen alten Mustern lande. Ich habe immer Angst, dass es mir nur kurzzeitig besser geht und ich auf Dauer dann doch keine wahren Fortschritte erreiche, weil ich einfach wieder die alten Gewohnheiten aufnehme.
Ich hoffe inständig, dass ich auf dem richtigen Weg bin und wirklich alles, alles gut wird.
Seit Weihnachten hat sich wirklich unvorstellbar vieles bei mir verändert. Ich bin zwar noch immer der gleiche Mensch, aber trotzdem ist alles ganz anders geworden, viel schöner. Ich kann Vieles um einiges gelassener nehmen. Ich mag mich selbst viel mehr. Ich mache mehr für mich. Gehe wesentlich öfter raus. Führe ein viel angenehmeres Leben.
Etwa im Herbst würde ich endlich gerne von zu Hause ausziehen, ich hoffe, das schaffe ich auch. Ich könnte mir vorstellen, dass es mir sehr dabei helfen würde mein Selbstbewusstsein zu stärken, da es schon ein anderes, besseres Gefühl ist, wenn man weiß, dass man alleine für sich selbst sorgen kann und auf niemand anderen angewiesen ist. Darauf bin ich schon sehr gespannt. Wenn ich das wirklich schaffe und auch noch mit dem Studium klarkomme, kann ich richtig stolz auf mich sein. Ein bisschen kann ich wahrscheinlich auch jetzt schon stolz auf mich sein, aber wenn ich das mit der eigenen Wohnung und dem Studium wirklich schaffe, dann ist das schon ein riesengroßer Schritt und es wäre wieder viel,viel mehr, als ich mir jemals in meinen kühnsten Träumen hätte ausmalen können. Viel mehr als ich je gedacht hätte, dass ich irgendwann einmal schaffen könnte. Vielleicht ist es ja dann irgendwann ganz normal für mich, hinauszugehen und mich in der Welt zu bewegen.

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